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Angel’s Share

und "Weihnachts" Whiskey

In der Welt des Whiskeys gibt es eine Menge von Begriffen: Single Malt, Hogshead, peated, Drum, Abgang, muffig (😊), ... Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Jedes Wort gibt uns die Möglichkeit, die besondere Welt des Whiskeys zu beschreiben. In diesem Newsletter verwenden wir die irische Schreibweise für Whiskey (Schottisch=Whisky), da die aktuellen Abfüllungen eben Iren sind.

Der Begriff Angel's Share strahlt einen ganz besonderen Charme aus. Wir wollen den Vorhang ein wenig lüften und Sie als TWCC-Newsletter-LeserIn in das Geheimnis des "Angel's Share" einweihen.

DIE URSPRÜNGE DES WHISKEYS

Die Ursprünge des Whiskeys gehen auf die Entdeckung der Destillation in den 2000er Jahren v. Chr. zurück, als die Mesopotamier dieses Verfahren zur Destillation von Aromastoffen und Parfüm verwendeten.

Die Destillation wurde eingesetzt, um den Alkoholgehalt einer Spirituose zu erhöhen und sie gleichzeitig zu reinigen. Dieses Verfahren wird seit seinen Ursprüngen im mittelalterlichen Irland und Schottland zur Herstellung von alkoholischen Getränken verwendet, um «aqua vitae» oder «das Wasser des Lebens» herzustellen. Diese destillierte Spirituose wurde schliesslich als Whiskey bekannt.

ANGEL’S SHARE

Der «Engelsanteil» ist die romantische Bezeichnung für die jährliche Menge an Whiskey, die während der Fassreifung durch Verdunstung verloren geht. Da die Flüssigkeit in den Himmel verdampfen würde, nannte man sie den Anteil der Engel. Aus wissenschaftlicher Sicht handelt es sich jedoch um die Menge der Flüssigkeit, die sich in Gas verwandelt und das Fass verlässt. Zudem kursieren Gerüchte, dass immer mal wieder durch unerlaubtes Abzapfen nachgeholfen wird. Kontrollieren lässt sich das nur schwer, da von Fass zu Fass die Verdunstung variiert 😊!

Der Prozess der Verdunstung beginnt, sobald ein Fass mit frischem Destillat, d.h. New Make, gefüllt wird. Die Dauben eines frischen Eichenfasses nehmen innerhalb von 48 Stunden nach der Befüllung etwa 2 % des Gesamtvolumens auf. Elemente aus dem Destillat steigen kontinuierlich in den Kopfraum (Luftreservoir) des Fasses und entweichen durch die Poren der Eichendauben.

VERWÖHNTE ENGEL

In Schottland oder Irland beträgt der Verlust nur 1-2 %, im Gegensatz zu wesentlich wärmeren Klimazonen wie Indien oder Australien, wo die Verdunstung bis zu 12 % betragen kann. Trotzdem summiert sich das selbst in unserer Klimazone schnell. Der Global Whiskey Masters von DIAGEO schätzt, dass in Schottland derzeit rund 22 Millionen Fässer Whiskey reifen. Die meisten davon sind Hogsheads mit einem Fassungsvermögen von ~250 Litern. Wenn man davon ausgeht, dass etwa 2 Prozent des Fassinhalts als Angels' Share verloren gehen, entspricht dies etwa 110.000.000 Litern Whiskey, die jährlich verschwinden. Anders ausgedrückt: 440.000 Fässer, genug um 44 olympische Schwimmbecken zu füllen! Es sei den Engeln gegönnt.

WAS BEEINFLUSST DIE VERDUNSTUNG?

Eichenfässer werden mit frischem Destillat mit einem Ethanolgehalt von in der Regel 63,5 % ABV befüllt. Das bedeutet, dass der Rest, etwa ein Drittel, hauptsächlich aus Wasser besteht. Es ist daher wichtig, Wasser und Ethanol getrennt zu betrachten, da beide mit unterschied­licher Geschwindigkeit aus dem Fass entweichen. Ähnliche Systeme neigen dazu, sich anzupassen. So steht die Wassermenge im Eichenholz ständig im Gleichgewicht mit der Wasserkonzentration in der Umgebung ausserhalb des Fasses. Je höher die Luftfeuchtigkeit in einem Lagerhaus ist, desto geringer ist die Wassermenge, die durch Verdunstung aus dem Fass entweicht, da die Atmosphäre bereits mit Wasser "gesättigt" ist. Umgekehrt wird trockenere Luft im Lager eine vergleichsweise stärkere Verdunstung auslösen. Ein Anstieg der Temperatur im Lager erhöht die Verdunstungsverluste von Ethanol und Wasser. In einem gedrungenen, traditionellen Staudenlager mit offenem Lehmboden, in dem die Fässer in maximal drei Reihen gestapelt werden, ist die Luftfeuchtigkeit in der Regel höher als in einem Regallager mit bis zu 12 Etagen. Dieses Regallager mit einem Betonfundament ist auch viel grösser und höher, hat dünnere Wände und ein Metalldach. Dadurch werden äussere Temperaturschwankungen leichter an das Innere weitergegeben als im traditionellen Lager, das dicke Steinwände und ein Schieferdach hat.

Bei hoher Luftfeuchtigkeit geht relativ mehr Ethanol als Wasser im Fass verloren, und der Ethanolgehalt nimmt mit der Reifung des Whiskyes ab. Dies ist die typische Situation in Schottland und Irland, wo die relative Luftfeuchtigkeit vor allem im Winter oft bei 80-90 % liegt. Eine veränderte Ethanolmenge im Fass beeinflusst die Reifegeschwindigkeit und den Reifefortschritt des Whiskeys. Ein abnehmender Anteil an Ethanol begünstigt die Tannine, welche wesentlich zur Struktur und Ausgewogenheit des Whiskeys beitragen und auch die Farbe beeinflussen. Ob es mit all diesen Erkenntnissen sinnhaftig ist, ein Whiskey-Fass auf dem Jungfraujoch oder im See reifen zu lassen, müssen schlussendlich Nase und Gaumen der Whiskey-Liebhaber entscheiden.

VERDUNSTUNG UND WHISKEY-PREISE

Der Anteil des Angel’s Share erklärt auch die deutlich höheren Preise, die für viel älteren Whiskey bezahlt werden, denn sie berücksichtigen nicht nur die Lagerkosten, sondern auch die Seltenheit. Während ein 10 Jahre altes Fass vielleicht nur 15 % seines Volumens verloren hat, verliert ein 25 Jahre altes Fass in der Regel etwa 40 % seines Volumens. Auf dem Papier klingt dies zwar nach einem verheerenden finanziellen Verlust, der um jeden Preis gestoppt werden sollte. So hat es zum Beispiel Versuche gegeben, die Fässer mit Folien einzuwickeln und dadurch die Verdunstung zu verlangsamen - allerdings mit wenig Erfolg, da der Prozess rund um den Angel’s Share einen grossen Einfluss auf die Reifung und somit die Qualität des Whiskeys hat.

EINFLUSS DES ANGEL’S SHARE AUF DEN WHISKEY
Der Engelsanteil wirkt sich in vielerlei Hinsicht auf den Whiskey aus, also nicht nur auf die Menge. Er trägt auch dazu bei, dass die herben Aromen im Whiskey mit der Zeit abgemildert werden sowie mit der Reifung einen seidigen, angenehmen Körper erhalten.
ANGEL’S SHARE UND WEIHNACHTEN

Für viele Menschen lohnt sich dieser Kompromiss zwischen einem etwas teureren Tropfen Whiskey, bedingt durch das Mitkonsumieren der Engel, und dem dadurch gewonnenen Reichtum an Aromen und Ausgewogenheit. Unsere aktuellen irischen Abfüllungen mit wunderbaren Bushmills haben auch vom Phänomen des Angel’s Share profitiert. «The Pine Tree» wagen wir als richtigen Weihnachts-Whiskey zu bezeichnen – ein wunderbarer Schluck für die irdischen Engel oder einfach alle Whiskey-Liebhaber!

Slàinte mhath
Das TWCC-Team